European Krav Maga Organization


Direkt zum Seiteninhalt

REAL LIFE 2010

BLOG > 2010

Aufgrund meines längeren Anreiseweges hatte ich mich entschieden bereits am Freitag Abend nach Albersdorf zu fahren. Die Übernachtung im Trainingscenter war möglich und im Seminarpreis enthalten. So hatte ich abends noch die Möglichkeit einige andere Teilnehmer kennen zu lernen die ebenfalls bereits angereist waren und die Location in einer ehemaligen Kaserne ließ bereits die richtige Stimmung für das Event aufkommen.

Am Samstag morgen um 9 Uhr ging es los. Innerhalb der ersten 3 Stunden wurde ein Crash-Kurs Basic Krav Maga durchgezogen: die typische 360°-Abwehr, Schlagen, Treten, Schrittarbeit, einige Drillings und lockeres Sparring inkl. 2 vs. 1- Varianten. Für diejenigen die bereits länger dabei sind, gab es hier sicher nicht viel neues zu entdecken, aber die Basics können im Krav Maga meines Erachtens auch nicht oft genug wiederholt und eingeschliffen werden. Es waren allerdings auch viele Krav Maga-Neulinge dabei und es ging hier auch darum eine gemeinsame Basis zu schaffen, für die Dinge die noch kommen sollten.

Nach einer (sehr) kurzen Mittagspause wurde das Training auf den Parkplatz verlegt. Fallen und Verteidigung aus Bodenlage auf hartem Untergrund stand auf dem Plan. In kleineren Gruppen wurde auch besondere Formen des Teamworks durchgespielt, wie zum Beispiel die Entwaffnung eines Messerangreifers mit vereinten Kräften.

Ab 14 Uhr sah das Programm Verteidigung in öffentlichen Verkehrsmitteln vor und so stiegen alle Teilnehmer in einen zwischenzeitlich eingetroffenen Bus. Damit begann dann auch das eigentliche Szenariotraining, indem Situationen durchgespielt wurden wie sie tatsächlich im Alltag auftreten können. Dabei waren unter anderem Bedrohungssituationen wie bewaffneter Raub, Belästigungen weiblicher Fahrgäste, Auseinandersetzungen zwischen betrunkenen Jugendlichen, aber auch der mit einem Messer bewaffnete Amokläufer im Bus. Bei diesen Übungen stand nicht mehr nur die körperliche Auseinandersetzung im Vordergrund. Es wurde von den Teilnehmern explizit erwartet auf die Situationen so zu reagieren wie sie es auch in der realen Situation tun würden. Das beinhaltete die Herausgabe des Handys an einen mit einem Messer bewaffneten Räuber, das Herstellen von Öffentlichkeit durch Informieren des Fahrers oder anderer Fahrgäste bei Belästigungen und natürlich auch die Versorgung von möglicherweise Verletzten. Nichtsdestotrotz kamen auch im Bus die körperlichen Auseinandersetzungen nicht zu kurz. Auf engstem Raum, unter Ausnutzung der Umgebung und unter dem permanenten Einfluss von Flieh- und Beschleunigungskräften während der Fahrt. Das alles natürlich begleitet von Erklärungen zu möglichen Strategien und Vorgehensweisen durch die Instruktoren, die hier auf tatsächliche Erfahrungen aus dem aktiven Polizeidienst zurückgreifen konnten.

Nach anstrengenden 2 Stunden im Bus wurde das Training dann vorrübergehend wieder auf Mattenboden verlegt. Angesichts der Tatsache, dass das Training nun boden- und grapplinglastiger wurde, begrüßten die Teilnehmer diesen Umstand auch sehr. Bodenkampf im Sinne des Krav Maga beinhaltete den Einbezug von Gegenständen wie (PET) Flaschen oder Trainingsmessern. Die Abwehr von Schusswaffenbedrohungen rundete das Programm bis zu einer längeren und nötigen Pause von 18-22 Uhr ab.

Ab 22 Uhr wurde das Programm dann tatsächlich ein wenig beschaulicher. Man traf sich in der hauseigenen Bar die mit Hilfe von Musik, Diskokugel und Stroboskoplicht zu einer Diskothek umfunktioniert worden war. So hatte man Gelegenheit zusammen zu sitzen, etwas zu trinken (Alkohol wurde aus naheliegenden Gründen gemieden) und sich ein wenig zu entspannen. Da die überwiegend männlichen Teilnehmer nicht recht zum tanzen zu bewegen waren, wurde kurzerhand zum lockeren Sparring aufgefordert. Unterbrochen wurde die entspannte Atmosphäre jedoch durch Auftritte der sogenannten „schwarzen Männer“. So kam es in der Folge zu typischen Stresssituationen die gelegentlich auch nur durch körperliche Auseinandersetzung mit den Instruktoren in den Vollschutzanzügen zu lösen waren. Es bestand jedoch auch hier die Forderung nach realitätsnahem also primär deeskalierendem Verhalten. Gelegentlich war es so gelegentlich möglich die Situationen statt durch Taten durch Worte zu lösen. So entwickelten die Szenarien eine gewisse Eigendynamik und endeten auch mal zusammen mit den schwarzen Männern am Tresen wo diese jedoch feststellen mussten, dass es sich durch das Visier ihrer Helme schlecht trinken lässt. Es wirkte ein wenig eigenartig wenn man von Instruktoren auf die Toilette geschickt wurde, aber hier wartete dann eventuell eine böse Überraschung und die Geschichte nahm selbst für die Instruktoren das eine oder andere mal eine vollkommen unvorhersehbare Wendung. Der Tag endete schließlich gegen 0:30 Uhr mit dem Hinweis, dass sich die Teilnehmer keinen Wecker stellen müssten. Das ließ nichts gutes erahnen.

Der zweite Tag begann am Sonntag morgen um kurz nach halb 6 Uhr mit dem Wecken durch die Instruktoren persönlich. Es ging natürlich direkt raus in die Dunkelheit und an die frische Morgenluft, wobei die zugefrorenen Pfützen belegten, dass die Kälte nicht nur gefühlt war. Während dieser morgendlichen Übung waren in kleineren Gruppen Aufgaben zu lösen. Ich möchte an dieser Stelle keine Details preisgeben, da der Reiz gerade in der Ungewissheit was einen konkret auf dem sehr weitläufigen Gelände erwartet bestand. Die Aussage eines Instruktors, dass bei einigen Teams die Entwicklung „paranoider Tendenzen“ beobachtet werden konnte, beschreibt die Gefühlslage während der Übung auf jeden Fall sehr gut.

Nach dem Frühstück ging es erneut raus zu einer weiteren Runde „Aufwärmen“ für das folgende Szenariotraining das sich um die Verteidigung in und um Autos drehte. Für das Training standen mehrere Fahrzeuge zur Verfügung und es wurden verschiedenste Situationen inkl. „carjacking“ unter dem Einsatz von Schusswaffen intensiv durchgespielt. Auch hier wurde sich möglichst nahe an die Realität bewegt. Das bedeutete beispielweise, dass man im Fahrzeug natürlich angeschnallt ist. Das Lösen eines Gurtes als Vorraussetzung zur Flucht erwies sich während einer Auseinandersetzung mit möglicherweise mehreren Angreifern in der Enge eines Fahrzeuges auch durchaus als anspruchsvoll im Vergleich zum Alltag.

Die Mittagspause fehlte am 2. Tag komplett. Der Tag endete mit der relativ zeitintensiven Abschlussübung über die hier auch nicht zu viele Details genannt werden sollen. Es sei lediglich verraten, dass die Übung in einem Bunker stattfand. In einem solchen kann es unter anderem sehr dunkel und auch sehr laut sein, was an sich schon für einen gewissen Stresspegel sorgt, vor allem in der Gewissheit, dass es noch eine Bedrohung gibt die diesmal garantiert nicht zu deeskalieren ist. Und wenn man dann denkt zu wissen was gleich kommt, kann es immer noch schlimmer kommen...

Persönliches Fazit:
Das Wochenende in Alberdorf hat mir persönlich sehr gut gefallen. Die Veranstalter haben es tatsächlich geschafft die Intensität so auszubalancieren, dass praktisch jeder an seine persönlichen Grenzen geführt wurde (vielleicht auch ein Stück darüber hinaus) und dennoch kaum erschöpfungsbedingte Ausfälle zu vermelden waren. Sehr positiv ist mir auch aufgefallen, dass die Kombination von Training der Basics und Szenarien es sowohl Krav Maga-Neulingen, als auch alten Hasen ermöglichte um einige Erfahrungen reicher nach hause zu fahren. Am erstaunlichsten war für mich jedoch, dass ich hinterher tatsächlich das Gefühl hatte auch etwas über mich selbst gelernt zu haben. Vor allem über mein Verhalten bei der abendlichen Übung in der Bar habe ich noch einige Zeit nachgedacht. Die Situationen hatten wie bereits erwähnt eine starke Eigendynamik entwickelt und folgten keinem Drehbuch. Ich bin im nächsten Jahr auf jeden Fall wieder dabei!

Bitte auf das Bild klicken, um zu den Bildern vom REAL LIFE 2010 zu kommen


Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü